Aus Burgen und Schlössern - Ausgesuchte Kunst und Kunsthandwerk von der Antike bis ins 20. Jhdt.
39 | 9 Bronzener Adler von ungewöhnlicher Größe und ausgesprochen feiner Ausarbeitung, griechisch, eventuell frühklassisch (frühes 5. Jhdt. v. Chr.) oder späthellenistisch (1. Jhdt. v. – 1. Jhdt. n. Chr.) Schwere Bronzefigur mit dicker Wandung, die imWachsaus- schmelzverfahren hergestellt worden ist, vermutlich mit Ton- kern im Inneren. Stil und Technik sprechen ganz klar für eine Entstehung in der klassischen Antike. Die ungewöhnliche Bronzeplastik besticht durch zwei Eigenschaften: zum einen die für eine bronzene Vogelplastik der klassischenAntike un- gewöhnlicheGröße, die so nur extrem selten zu finden ist, zum anderen zeichnet sich die Oberfläche durch eine besonders feine und naturalistische Darstellung des Gefieders aus. Der Vogel steht ruhig mit eng angelegten Flügeln und aufrecht ge- haltenem Kopf mit leichter Linksdrehung. Unter den Flügeln ragen die leicht nach unten gerichteten Schwanzfedern hervor. Unter den befiederten Hosen sind noch die Ansätze des mit Hornschuppen bedecktenMittelfußknochens (Tarsometatar- sus) erhalten. Zehen und Krallen sind verloren. DieMuskula- tur des Vogels ist klar konturiert und auf der Oberfläche des Körpers sind die Federn mit den Schäften des Kiels und den davon abzweigenden Ästen ausgesprochen fein und präzise durch Ziselierung dargestellt, wobei vorgefertigte Strukturen im verlorenenWachsmodel weiter ausgearbeitet worden sind. Die Augen mit klar konturierten Liedern und Pupillen sind von einer markanten Wulst überragt. Der Hakenschnabel macht deutlich, dass es sich um einen Greifvogel handelt. Un- ter- sowie Oberschnabel mit den Öffnungen am Ansatz sind präzise ausgeführt. Während die rechte, ursprünglich wohl äußere Seite durch einen strengen Blick gekennzeichnet ist, hat die leicht einwärts gedrehte, linke Seite eine lieblichere Anmutung. Der Adler war wohl Teil einer Figurengruppe und man darf davon ausgehen, dass auf der postulierten Innensei- te ein zweiter Vogel oder eine lebensgroße beziehungsweise fast lebensgroße Figur platziert war. Auch wenn die Wulst über den Augen nicht geradlinig verläuft und den typischen „Adlerblick” repräsentiert, ist davon auszugehen, dass mit der Darstellung ein Adler gemeint ist. Die exakte Datierung des Objekts ist nicht einfach, da es von der Größe und der Qualität der Ausarbeitung bisher eher als singulär anzusprechen ist. Ein griechisches Bronzevotiv aus demAkropolismuseum(datiert in das späte 6. Jahrhundert vor Chr.) zeigt einen noch etwas steifer dargestellten Vogel ohne die leichte Kopfwendung, der jedoch in der Anlage von Mus kulatur und Haltung sehr ähnlich ist. Großgriechische Tetra- drachmen ausAkragas (1. Viertel des 5. Jhdts. vor Christus) an der Wende von der Archaik zur Frühklassik bilden eindeutig als Adler zu verstehende Vögel ab, deren seitliche Silhouette, ebenso wie die feine Zeichnung des Federkleids und der eher rundlicheKopf häufig in hohemMaßewieMiniaturen des hier vorgestellten Adlers wirken. Adlerdarstellungen römischer Reichskunst haben in der Regel ein ungleich stärker reliefier- tes und gröber dargestelltes Gefieder, die Haltung ist in der Regel dynamischer und der Gesichtsausdruck aggressiver. Demgegenüber sind vor allem in der östlichen Reichshälfte immer aus lokalen Traditionen gespeiste Kunstauffassungen denkbar. Die ausgesprochen realistische, aber doch wenig dramatisierende und ruhige Darstellung des Adlers könnte auch für eine Herstellung im späten Hellenismus (1. Jhdt. v. – 1. Jhdt. n. Chr.) sprechen. Die Oberfläche ist mit einer geradezu perfekten, gleichmäßig olivgrünen Patina überzogen, deren seidenmatter Glanz die fein ausgearbeiteten anatomischen Details vorteilhaft zur Geltung bringt. Auf der rechten Seite verläuft ein bereits in der Antike vorhandener, feiner Riss. Kleinere Gussfehler wurden in typisch antiker Manier nach dem Guss ausgebes- sert und deren Oberfläche entsprechend nachziseliert. Ein Meisterwerk des antiken Bronzegusses mit liebevoll ausge- führten Details, eigenwilliger, einem spezifischen Kunstwol- len entsprechender Stilisierung und außergewöhnlicher Grö- ße für das dargestellte Sujet. Höhe 32 cm (mit Sockel 38,5 cm). Provenienz: Aus der Sammlung eines süddeutschen Altphi- lologen, von diesem erworben in den 1950er und 1960er Jah- ren. Dann weiter in Familienbesitz. A Greek bronze eagle of unusual stature with exceptionally fine craftsmanship, possibly early classical (early 5th century B.C.) or late Hellenistic (1st century B.C. – 1st century A.D.) The heavy bronze figure with thickwalls, produced by applying the lost-wax casting technique, probablywith a clay core inside. The style and method clearly suggest it dates from classical antiquity. Two features of the remarkable bronze sculpture stand out in particular: firstly, the unusual size for a bronze sculpture of a bird fromclassical antiquity, such as is very rarely found; secondly, the surface is characterised by the excep tionally fine, naturalistic rendering of the plumage. The bird standing in repose, its wings tightly folded and head upright, slightly turned to the left. The tail feathers pointed slightly downwards, protruding frombeneath the wings. The tops of the metatarsal bone (tarsometatarsus), covered in scales, still in place below the feathered tarsi. The toes and talons have been lost. The musculature of the bird is clearly delineated. The feathers on the surface of the body are exceptionally finely and precisely chased, representing the shafts of the quill and the vanes extending on either side, whereby previously finished structures on the lost waxmodel have been further refined. The eyes with clearly contoured lids, the pupils with a pronounced, overhanging bulge. The hooked beak clearly identifying it as a bird of prey. The upper and lower beak precisely executed, along with the openings at the root. While the right-hand side, presumably the original outer side, shows a stern gaze, the left side, turned slightly inwards, reveals a gentler appearance. The eagle was probably part of a group of figures and it may be as- sumed that a second bird or a life-sized (or almost life-sized) figure was placed on the postulated inner side. Although the bulge over the eyes is not in a straight line and does not represent the typical “eagle gaze”, it may be assumed that the statue is meant to be an eagle.
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