A100 Kunst, Antiquitäten & Antiken

68 | 40 Bronzeurne mit kalligraphisch ausgefeiltem Epigramm, römisch, 1. - 2. Jhdt. Urne von außergewöhnlich schöner Formgebung. Der konische Fuß am Rand zu einer Wulst umgebördelt und nach der engsten Stelle sich trichterförmig etwas erweiternd. Mit dieser schmalen Basis ist der eiförmige Korpus der Urne verlötet. Oberhalb der Schulter eine Hohlkehle, darüber die nach außen gewölbte Randlippe, die nach innen zur Aufnahme des Deckels abgesetzt ist. Am Übergang von Bauch zu Schulter sind gegenüberliegend zwei horizontal angeordnete Henkel mit Attaschen in Form von durchbrochenen Palmetten aufgelötet. Die Henkel elegant nach oben geschwungen und mittig durch drei vertikale Wülste, seitlich durch drei horizontale Kehlungen profiliert. Auf Höhe der Unterkante der Henkel ringsum zwei Drehrillen verlaufend. Der Deckel auf der Oberseite von außen nach innen gegliedert durch eine breite Wulst, eine Hohlkehle und eine leichte zentrale Wölbung, deren Höhe durch drei konzentrische, tief eingedrehte Kreise markiert ist. In der Mitte eine senkrecht stehende, rechteckige Griffplatte, die durch einen runden Stift mit einer Scheibe unter dem Deckel verbunden ist. Mit dieser Vorrichtung kann ein seitlich der Griffplatte vorhandenes Loch geöffnet oder verschlossen werden. Die Totenspeisung war integraler Bestandteil der antiken Erinnerungskultur; bei Gedenkfeiern wurde der Tote als präsent gedacht und erlebt und nahm bei einem Totenmahl durch Speise- oder Getränkeopfer symbolisch an der Zeremonie der Lebenden teil. Der Verschlussmechanismus könnte so gedeutet werden, dass er die unmittelbare Versorgung des Toten mit diesen Gaben gewährleisten konnte. Besondere Beachtung verdient die sinnträchtige Aufschrift auf der Schulter der Urne, die in einem Zweizeiler, vom Versmaß her ein sogenanntes „elegisches Distichon”, die Vergänglichkeit aller Dinge treffend in Worte fasst: „QVANTVM EST IN VITA FAMAE VIRTVTIS HONORIS / ENATQVAMPARVOSMORS REDIGIT CINERES”. Eine wörtliche Übersetzung der im Lateinischen wohlgewählten Worte ins Deutsche ist schwerfällig und erst eine freiere Paraphrase vermag dem Sinnspruch wieder Fluss zu verleihen: „Wieviel es im Leben an Ruhm, Tugend und Ehre gibt, erweist sich darin, wie kleine Aschehäufchen der Tod daraus macht.”. Die Buchstaben sind wohl proportioniert und genau bemessen auf die Außenseite der Urne eingemeißelt worden. Sowohl der Dichter als auch der Kalligraph bewiesen bei der Ausführung die meisterhafte Beherrschung ihres Handwerks. Ein Dokument römischer Sach- und Geisteskultur von großer Seltenheit. Oberfläche mit fleckiger Patina mit Grün-, Blau- und Brauntönen. DurchMineralisierung fragile Stellen und minimale Ausbrüche im unteren Drittel der Urne fachmännisch von innen her restauriert und stabilisiert. Höhe mit Deckel 46 cm. Provenienz: Süddeutsche Privatsammlung, übernommen aus der Sammlung des vor 30 Jahren verstorbenen Großvaters.

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